Tief im Westen: Bahn oder Bahn? Die Positionen rund um die Linie 1

Stand: 11.02.2025

Im Kölner Westen, in Müngersdorf und - ja - auch im Bürgerverein BVM gibt es einen regen Austausch und viele Diskussionen über die verschiedenen Pläne und Ideen rund um die Linie 1, die sogenannte Ost-West-Achse. Entscheiden müssen am Ende die Kölner Ratsleute nach bestem Wissen und Gewissen. Doch wie sehen die verschiedenen Positionen und Vorschläge aus? Eine Zusammenfassung...

 

Von Antje Frings

Um die Mobilitätswende in Köln voranzubringen, gab es im Sommer 2022 von der Verwaltung der Stadt Köln und der KVB ein sogenanntes Fachgespräch zur Vorstellung der Pläne zum Ausbau der Ost-West-Achse für die Bürgergruppen und weitere Interessierte. Vorausgegangen war 2018 ein Ratsbeschluss zur Kapazitätserweiterung der Linie 1 mithilfe längerer Straßenbahnen mit 90 Metern Länge. > hier zur Ratsinformation Stadt Köln (das Laden dauert einen Moment)

 

Es gab und gibt (Stand Februar 2025) einiges Hin und Her in der Meinungsbildung einzelner Parteien und in der Diskussion auf Ratsebene. Fakt ist, dass ein endgültiger Ratsbeschluss weiterhin vertagt ist. Aber die Positionen der einzelnen Parteien, die sich z.T. über die Zeit gewandelt haben, sollen hier nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Auch nicht die verschiedenen Visionen einer sog. Tunnellösung - also eine neue U-Bahn im Innenstadtbereich der Ost-West-Achse. Vielmehr interessiert die grundsätzliche Zielsetzung sowie Basis-Ideen für die Umsetzung der Fernziele vor allem mit Blick auf die Folgen für die Außenbezirke jenseits der Innenstadt, insbesondere Müngersdorf und die anderen westlichen Stadtteile.

 

Die Ausgangslage

 

Was war die Idee? Durch die Neugestaltung der Ost-West-Achse soll der Autoverkehr in Zukunft verringert, der öffentliche Nahverkehr gefördert und gleichzeitig die KVB entlastet werden. Zitat: "Wir haben in den vergangenen Jahren immer darauf hingewiesen, dass wir als Verkehrsunternehmen die Varianten für uns nach den betrieblichen Konsequenzen bewerten", so Stefanie Haacks, KVB Vorstand.

> hier zur Pressemitteilung der Stadt über die Veröffentlichung der Entscheidungsvorlage

Der Hintergrund: Die KVB hat offensichtlich chronische Personalprobleme vor allem unter Fahrinnen und Fahrern von Bahnen und Bussen. Dass dies im Vordergrund der KVB-Planungen zu stehen scheint, kann man aus dem o.g. Zitat ableiten, und nicht eine ganzheitlich betrachtete Verkehrspolitik für die nahe und weitere Zukunft.

 

Planung der KVB

 

Aus dem zitierten rein betriebswirtschaftlichen Gedanken heraus planen KVB und Stadtverwaltung eine Kapazitätserhöhung auf der Ost-West-Achse bzw. für die Linie 1 um 50 % mithilfe einer Verlängerung der Straßenbahnzüge auf 90 Meter: An die heutigen Züge mit 60 m Länge wird jeweils ein drittes Wagenmodul von 30 m angehängt. Die jetzige Fahrplan-Taktung soll beibehalten bleiben.

 

Was sich zunächst einfach anhört, erfordert jedoch erhebliche Umbauarbeiten auf der gesamten Ost-West-Achse. Dies ist für uns im Westen das Entscheidende: Allein hier müssten 14 Haltestellen umgebaut und verlängert werden, auf der gesamten Ost-West-Achse wären es Umbauten von 34 der 37 Haltestellen entlang der Linie 1.

> im städtischen Portal "Meinung für Köln" können Planungen für einzelne Haltestellen betrachtet werden

Nach letztem Stand ist nur für den Umbau der Haltestellen ein Kostenplan von 364 Millionen veranschlagt. Ursprünglich geplant waren mal 250 Millionen (Quelle: Stadt Köln). Zwischenzeitlich wird im politischen Raum ein wesentlich größerer Umfang an Baumaßnahmen diskutiert. Diese beziehen sich allerdings vor allem auf den Umfang eines U-Bahn-Tunnels in der Innenstadt, was für den Stadtteil Müngersdorf ohne direkte Auswirkungen wäre. > Details dazu beim Bündnis Verkehrswende Köln

Die Baumaßnahmen an den Haltestellen könnten frühestens 2027 beginnen - nach heutigem Stand wäre eine Fertigstellung irgendwann in den 2030er Jahren zu erwarten. > Details auf der KVB-Seite

 

 

Hinzu kommt: Es steht eine Sondergenehmigung für den Einsatz von 90-m-Strassenbahnen durch die Bezirksregierung Düsseldorf (Verordnung über den Bau und Betrieb der Strassenbahnen BoStrab §55) aus. Ob sie schon beantragt wurde, ist unbekannt. Dies ist insoweit relevant, weil mit der Sondergenehmigung zusätzliche Auflagen verbunden wären, denn 90-Meter-Züge dürfen nicht mehr „auf Sicht“ gefahren werden. Ohne die Sondergenehmigung müssen die Umbauten gar nicht erst begonnen werden.

Im Umfeld Müngersdorf würden die Haltestellen Alter Militärring und Junkersdorf neu gebaut werden. Die Haltestelle Alter Militärring soll Richtung Osten auf die Brücke über den neuen Militärring verlegt, sprich: ebenfalls neu gebaut werden.

 

 

Die Haltestelle Junkersdorf soll eine vergrößerte Wendeschleife mit Mittelbahnsteig erhalten, weil Junkersdorf weiterhin für einen Goßteil der Verbindungen als Endhaltestelle verbleibt. Nach gegenwärtig bekanntem Stand soll nur jede 3. Bahn nach Weiden-West durchfahren. Für diesen Umbau soll in der gegenwärtigen Planung die Mittelbaumallee auf der Aachener Strasse wegfallen: 35 alte Bäume müßten gefällt werden; darüber läuft aktuell noch eine Diskussion. Eine neue Wendeschleife, ein sogenanntes Kehrgleis, wäre nötig, um große Menschenmassen für den Stadionbetrieb befördern zu können. Der Trick: Eine große Anzahl von Zügen kann über die Schleife einfach durchfahren, ohne dass das Fahrpersonal den Führerstand wechseln muss.

 

Soweit die Pläne von KVB und Stadtverwaltung. Nun zur Position der Bürgergruppen im Kölner Westen. Kurze Zeit nach einem Fachgespräch mit Verwaltung und KVB im Sommer 2022 hat sich der Bürgerverein Müngersdorf mit den Bürgergruppen in Braunsfeld, Junkersdorf und Weiden in Verbindung gesetzt, um die Vorschläge von Verwaltung und KVB zu prüfen und zu diskutieren. Ziel: Soweit wie möglich eine gemeinsame Meinung zu formulieren.

 

Sichtweise der Bürgergruppen im Westen

 

Um es vorweg zu nehmen: Schnell setzte sich in den Bürgergruppen die Erkenntnis durch, dass die Auswirkungen dieser Planung auf Verkehrsführung, Stadtplanung und Aufenthaltsqualität inklusive Klimafragen in den betroffenen Vierteln wenig bürgerfreundlich zu sein scheinen und auch zu lange Zeiträume für die Detailplanungen und Bauausführungen bräuchte, um eine notwendig schnelle Verkehrswende mit einem attraktiven ÖPNV in Köln voranzutreiben.

 

Die Bürgergruppen im Westen und der Kölner Verkehrsdezernent Ascan Egerer trafen sich schon 2023 zu einem Meinungsaustausch. Die Forderung aus Bürgervertretungssicht: Wir brauchen auf der Ost-West-Achse kurzfristig eine spürbare Taktverdichtung ohne Zeitverzögerung z.B. aufgrund von kostenintensiven Baumaßnahmen für 90-Meter-Züge quer durch die Stadt. Die 60-Meter-Züge sind vorhanden, die Bahnsteige können bleiben wie sie sind. Nur so - so die Bürgergruppen - können die westlichen Stadtteile sowie die westlichen Vorstädte kurzfristig und besser angeschlossen und damit der ÖPNV für alle Bürger attraktiver gestaltet werden. Nur so kann eine schnelle Verkehrswende eingeleitet werden. In Zahlen: Durch eine Taktverdichtung wäre eine Kapazitätserhöhung von bis zu 66 % auf der Linie 1 und beispielsweise 33 % auf der Linie 7 möglich, so die Bürgergruppen.

 

Alternative: Taktverdichtung

 

Lediglich auf dem Neumarkt und am Heumarkt müssten für die bestehenden 60-m-Bahnen neue Mittelbahnsteige geschaffen werden, um neue Nadelöhre zu vermeiden, wie diese beiden Orte es jetzt eigentlich schon sind. > mehr dazu beim Bündnis Verkehrswende  Auf alle anderen Umbauten der Bahnsteige entlang der Linie 1 könnte so verzichtet werden. Sofern aus anderen Gründen wie z.B. Umgang mit der demografischen Entwicklung beim Fahrpersonal der KVB oder eine vorgesehene Automatisierung der Bahnstrecke ein Umbau auf 90 m Züge vorgesehen bliebe, wäre die Taktverdichtung trotzt Umbau der zwei Innenstadthaltestellen sinnvoll.

 

Auch ist den Bürgergruppen klar, dass für eine spürbare dichte Fahrplantaktung, wie sie z.B. Berlin oder Hamburg schon lange selbstverständlich ist, die KVB mehr Fahrpersonal ausbilden und einstellen müßte. Aber nur mit einer Taktverdichtung in bestehender Infrastruktur ist eine schnelle Verkehrswende zu erreichen. Die Krux: Die erhöhten Personalkosten lägen bei der KVB, die Umbauten der Haltestellen über viele Jahre bei der Stadt und damit beim Steuerzahler. Dagegen wehrt sich die KVB - und verdrängt dabei, dass auch bei der Einführung von 90-Meter-Zügen wahrscheinlich weiteres Personal im Wartungsbereich notwendig wäre.

 

Laut Verkehrsdezernent Ascan Egerer könne mit den von KVB und Stadtverwaltung geplanten 90-Meter-Bahnen gar keine Taktverdichtung erreicht werden, weil die Nadelöhre Neumarkt und Heumarkt für notwendige Baumaßnahmen keinen ausreichenden Platz hätten. Er räumte ein, dass mit den gegenwärtigen 60-Meter-Bahnen eine Taktverdichtung grundsätzlich möglich sei. Jedoch müssten er und die Stadtverwaltung sich an den Beschluss der Politik halten (siehe oben). Deshalb empfahl Verkehrsdezernent Egerer den Bürgergruppen, die Vertreter der Lokalpolitik von den Argumenten zur Taktverdichtung zu überzeugen.

 

Verhärtete Positionen

 

Dies haben die Bürgergruppen im Kölner Westen getan und viele Termine mit den einzelnen politischen Parteien und mit der KVB angestrengt. Jedoch erscheinen trotz dieser Bemühungen die Standpunkte der verschiedenen Beteiligten weiterhin verhärtet. Es gab immer neue Gegenargumente, die sich teilweise sogar widersprechen. Zum Beispiel, die 90-Meter-Bahnen seien schon beim Hersteller bestellt. Recherchen haben ergeben: Stimmt nicht. Die KVB hat neue 60-Meter-Züge bestellt - und einige 30-Meter-Züge. Aber keine kompletten 90-Meter-Züge. Und auch eine Taktverdichtung ist im Rat weiterhin kein Bestandteil der Diskussionen. Stattdessen sieht es so aus, als ginge es bei den Abstimmungen im Rat ausschließlich um den Umfang an Baumaßnahmen für die Realisierung der 90-Meter-Züge.

 

Der Bürgerverein Müngersdorf beabsichtigt, nach Abschluß der Ratsbeschlüsse einen erneuten Vorstoß zu machen, um die Taktverdichtung erneut in die Diskussion einzubringen. Alle Müngersdorfer sind herzlich willkommen, sich an den Diskussionen und Abstimmungen zur Verbesserung der Linie 1 zu beteiligen.

 

Zu der ganzen Thematik haben die westlichen Bürgergruppen im Spätsommer 2024 ein gemeinsames Positionspapier für die Lokalpolitik erstellt. > hier zum Positionspapier

 

Was den Aspekt der Personalkosten, sehen die Bürgergruppen - wie schon gesagt - durchaus das Problem. Ein chronisches bei der KVB. Die Anregung, mal auf andere Städte zu schauen, die sich auch gerade in Richtung Verkehrswende bewegen, kommt jedoch nicht so recht bei KVB und Politik an, zum Beispiel das Projekt in Potsdam: Seit 2018 läuft dort ein Probebetrieb mit autonom fahrenden Straßenbahnen der Firma Siemens. Das Projekt soll kurz vor der Serienreife stehen. Sich dies einfach mal genauer anzuschauen (nicht nur für die Linie 1), wäre einer von vielen kleinen Schritten in Richtung kreativer echter Zukunftslösungen.

Bürgerverein Köln-Müngersdorf e.V.
Kirchenhof 4
50933 Köln

www.bvm.koeln

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