Künstler und grosse Namen in Müngersdorf

Günter Wand

„Große Musik ist nie privat“

Der Dirigent Günter Wand wohnte bis 1967 in der Belvederestraße in Müngersdorf

 

Text: Sebastian Engelhardt

Fotos: Privat

 

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Wohnhaus Günter Wand in der Belvederestraße

2012 jährt sich der 100. Geburtstag Günter Wands und zugleich sein 10. Todestag. Grund genug, an die große Persönlichkeit des Dirigenten zu erinnern, der einen Teil während seines langjährigen Kölner Wirkens auch in Müngersdorf lebte. 

Was macht das Schaffen dieses Künstlers gerade für die heutige Zeit noch interessant?

Werktreue als Forderung
Der Kölner Journalist Friedrich Berger schreibt ihm in einer Festschrift 1974 unter anderem die Eigenschaft der „Gleichgültigkeit gegen den Lärm des lukrativen Daseins“ zu. Seine künstlerische Maxime beim Dirigieren erhellt ein kurzer, klarer Satz aus einem Zeitungsinterview: „Interpretation ist Einmischung, sie gilt es in vielen geduldigen Proben auszulöschen.“ Während andere Dirigenten-Kollegen in den Proben „ihre“ Interpretation zu vertiefen suchen, gilt ihm als höchstes Ziel, allein den Willen des Komponisten noch im letzten Winkel der Partitur zu entschlüsseln und für die Hörer erfahrbar zu machen: „Wir aber können … nur aus dem vorliegenden Werk unsere Schlüsse ziehen und nicht aus der Biografie des Komponisten.“

In seinen letzten Lebensjahrzehnten war Günter Wand vor allem wegen seiner herausragenden Bruckner-Aufführungen, aber auch mit seinen Wiedergaben von Schubert, Beethoven und Brahms in eine Reihe mit der Welt-Elite der Dirigenten gestellt worden, war bei den besten Orchestern der Welt begehrter Gast, wurde mit Lob und Ehrungen überhäuft. Dabei stellte er auch immer wieder das Wesen seines Tuns als Gemeinschaftsaufgabe heraus: „Der Dirigent hat einen Taktstock; aus dem kommt überhaupt kein Ton heraus. Er braucht also ein Orchester. Das Orchester ist sein Instrument. Seine Musiker sind Individuen persönlichster, sensibelster Art. Das zu erreichen, dass das ein Ensemble wird, das tatsächlich dienend der Sache gegenübersteht und motiviert wird – das ist schon ein unglaublicher Vorgang.“

Talent nicht in die Wiege gelegt
Bei Günter Wand gab es nach eigenen Angaben keinerlei künstlerische Vorprägung in der Familie. Die familiären Vorfahren waren Bauern und Handwerker, sein eigener Vater hatte es als Kaufmann zu einer wohlsituierten, gutbürgerlichen Existenz gebracht, und die bot den Kindern ein Elternhaus von „wunderbarer Geborgenheit“. Ganz den bildungsbürgerlichen Idealen ergeben und in „hoher Achtung der kulturellen Möglichkeiten“, wurden die Kinder auch musisch erzogen, wozu ganz selbstverständlich der Klavierunterricht gehörte.

Integrität als künstlerisches und menschliches Leitbild galten ihm als ein hohes Gut, wofür er auch die Konsequenzen zu tragen bereit war. Diese zeigten sich insofern, als dem Berufseinsteiger ohne Parteibuch 1933 nur eine Stelle im ostpreußischen Allenstein (heute Olsztyn, Polen) zugestanden wurde, künstlerisch gesehen eher Provinz, weit abgelegen von den großen Musikzentren.

Aufbau Kölner Musiklebens
Mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit konnte er sich aber mit seiner unanfechtbaren und vor allem unüberhörbaren Begabung als Kapellmeister über die Zwischenstation Detmold bald in ein Zentrum der Musik-Kultur empordienen: 1939 wurde er (weiterhin ohne Parteibuch) als Kapellmeister an der Kölner Oper engagiert. Ein kurzes Zwischenspiel in Salzburg am Kriegsende bewahrte ihn vor dem Bombenhagel auf Köln, und gleich im Spätsommer 1945 drängt es ihn zurück an seine ursprüngliche Wirkungsstätte an den Rhein, wo er nun – kompetent und politisch unvorbelastet – in der Stunde Null mit dem Wiederaufbau des Kölner Musiklebens betraut wird und dieses mit Akribie als Gürzenich-Kapellmeister vorantreibt.

Die in frühen Jahren genossene Freundschaft und Unterstützung des bereits in Müngersdorf lebenden Kölner Kunstsammlers und Mitglieds des Kulturausschusses Josef Haubrich führte möglicherweise 1956 zum städtischen Ankauf des Müngersdorfer Hauses, welches dann als Dienstwohnung an Wand vermietet wurde.

Noch heute lässt sich in dem von dem Architekten und Maler Thomas Schriefers bewohnten Haus aus den späten 40er-Jahren das repräsentative Ambiente im Erdgeschoss nachempfinden, welches den Rahmen für die illustren Runden des Freundeskreises gab, zu denen auch Nachbarn der Künstlerkolonie wie Böll und Haubrich gehörten.

Manche große Opern- und Konzertabende klangen hier bis in die frühen Morgenstunden aus und bildeten damit besondere Zäsuren im Arbeitsrhythmus des sonst sehr auf strenge Selbst- und Arbeitsdisziplin bedachten Wand, welcher dann aber kein Verächter eines edlen Tropfen Weins und einer guten Zigarre war. Bei diesen Gelegenheiten, wenn die große Anspannung der Aufführung von ihm abfiel, konnte er auftauen und gesprächig werden.

Um Köln verdient gemacht
Dem sensiblen Künstler, der für sein Partiturstudium auf absolute Ruhe angewiesen war, wurde es, wie Zeitzeugen berichten, schon Mitte der sechziger Jahre in der Belvederestraße zu laut. Als er auch noch mit einer hundertprozentigen Mieterhöhung für die städtische Dienstwohnung konfrontiert wurde, verließ er 1967 Müngersdorf und zog in die Nähe von Bergisch Gladbach.

Als der Vertrag als Gürzenich-Kapellmeister 1974 endete, hatte Günter Wand sich in seiner 28 Jahre dauernden Tätigkeit um das Musikleben der Stadt Köln wie nur wenige andere vor ihm verdient gemacht. Er hat die Kölner Oper und die Qualität des Gürzenich-Orchesters in den 60er-Jahren auf ein außerordentliches, vorher nie erreichtes künstlerisches Niveau gebracht. Seine Aufnahmen des Bruckner-Zyklus mit dem Kölner-Rundfunk-Sinfonie-Orchester (jetzt WDR-Sinfonieorchester) gelten auf dem internationalen Plattenmarkt noch immer als exemplarisch. Köln hat dem Dirigenten Günter Wand viel zu verdanken.

Als er im Februar 2002 mit 90 Jahren in seinem letzten Domizil Ulmiz bei Bern in der Schweiz starb, erfüllte sich ein Leben, das immer kompromisslos in den Dienst der Kunst gestellt war.

2010 ehrte ihn die Stadt Köln und gab dem südlichen Vorplatz des Gürzenichs seinen Namen.

Die Informationen zu diesem Beitrag entstammen dem Buch „Günter Wand: So und nicht anders“ von Wolfgang Seifert, welchem an dieser Stelle für die freundliche Genehmigung der Verwendung dieser Biografie zu danken ist.

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