Menschen in Müngersdorf | Alfons Bürger

Alfons Bürger - ein ungewöhnlicher Bürger

Er schuf "Bürgers Taschenbücher” und war passionierter Bücherfreund

 

Text von Angelika Burauen

 

Alfons Bürgers „Kleine Geschichte der Gartenkunst“, Ulmer, ISBN 3-8001-4170-1

Müngersdorf liest gerne. Das hat sich in zahlreichen Aktionen und Beispielen gezeigt: unser aller Entsetzen über die Schließung der Stadtteilbibliothek, die Einrichtung der Schulbibliothek in der Grundschule Wendelinstraße, die rege Beteiligung am "Fliegenden Leseteppich", der erfolgreiche Bücherverkauf beim Weihnachtsbasar, der Einsatz des Fördervereins für den Bücherei-Bus, die Lesungen in der Freiluga und vieles mehr. Auch dass Heinrich Böll ein uns gut bekannter Bürger und Autor von Müngersdorf war.

Freiluga erhält Dokumentation

An dieser Stelle möchte ich nun über Alfons Bürger berichten, denn auch er war ein Bürger von Müngersdorf und hat sein Leben fast nur mit Büchern verbracht: erst als Verleger, später als Autor. Gerne hätte ich ihn persönlich kennen gelernt und von seinem Wissen zum Beispiel über die Botanik profitiert, die er mit phantastischen Aufnahmen und als Herbarium angelegt dokumentierte. Aber erst die Spende der umfangreichen Dokumentation "Wildkräuter und Blumen" durch die Witwe des Verstorbenen, Isolde Bürger, an die Freiluga hat mich neugierig gemacht.
Zu seinem Lebenslauf ist zu sagen, dass er 1919 in Schwäbisch Gmünd geboren wurde und als Offizier bei den Fallschirmjägern diente. Er konnte danach an seine profunde humanistische Bildung anknüpfen, indem er Verlagskaufmann lernte und 1946 eine Lizenz für die Herausgabe von Romanen, Jugendschriften, Kunst- und Heimatkunde erhielt. Bürger verlegte Lyrik, Klassiker und zeitgenössische Literatur.

Am Anfang verlegerische Aktivitäten
Damit begann ein neues Kapitel im Leben Alfons Bürgers, das nach den Kriegserlebnissen, vieles nachholend, geistig und künstlerisch gestaltend ihn wirken ließ. Er publizierte während seiner Zeit als Verleger bis 1953 an die 70 Titel, unter anderem auch eine kurzlebige Kulturzeitung mit dem Titel "Aussaat" (1946-1948) sowie das renommierte "Statistische Jahrbuch Deutscher Gemeinden". Während der Währungsreform entstanden wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Bürger vorübergehend seine Verlagstätigkeit einstellen ließen.
Im Jahre 1952 konnte er mit neuem Schwung erfolgreich die Taschenbuch-Idee von Rowohlt aufgreifen und die Reihe "Bürgers Taschenbücher" mit der bekannten Nr.1 "Der Teufel", den historischen Roman von Alfred Neumann herausgeben. Damit gehörte Bürger nach dem Krieg zu den Pionieren des "pocket book", die er aus Amerika mitgebracht hatte.
1954 waren wiederum finanzielle Schwierigkeiten Grund zum Verkauf der Firma. Der finanzkräftige Ullstein Verlag übernahm nicht nur Alfons Bürgers Geschäft, sondern eröffnete mit dessen Taschenbüchern eine eigene Reihe, die später bekannt gewordenen gelben Goldmann-Taschenbücher. Und damit nicht genug: Ullstein setzte Bürgers Taschenbuch Nummer eins "Der Teufel" von Alfred Neumann an die Spitze der eigenen Reihe.

Umzug ins Rheinland
Nach Aufgabe der Verlegertätigkeit zeigten sich erneut Bürgers nicht nachlassende energiereiche Kreativität und Vielfältigkeit beziehungsweise sein Multitalent. Es begann ein neues Kapitel seines bewegten Lebens. Er zog ins Rheinland und wurde in der Werbebranche tätig.
Nachdem er zunächst einige Jahre Geschäftsführer bei der renommierten Firma William Wilkens wurde, wo er bleibende Spuren hinterließ und sich unter anderem besondere Verdienste erwarb beim bundesweiten Markenauftritt der Bitburger Brauerei, machte er sich später zusammen mit einem befreundeten Partner selbstständig und gründete eine eigene Werbeagentur. Auch hier zeigte sich sein Talent für Kreativität und Gespür für gute Werbung, obgleich Ende der 80er-Jahre auch diese Periode durch eine Insolvenz beendet wurde.

Zeit für Reisen, Fototografieren, Schreiben
Zu dieser Zeit stand ihm seine zweite Frau, Isolde Bürger, tatkräftig, unermüdlich und unterstützend zur Seite, sodass dieser Lebensabschnitt es ihm ermöglichte, seinen zahlreichen Neigungen nachzugehen. Er widmete sich nun ausführlich der Fotografie von Muschel- und Pflanzenwelt und schuf eine erstaunlich umfangreiche Dokumentation verschiedener Blumen, Orchideen, Wildkräuter und anderer Pflanzen, mitgebracht von zahlreichen Reisen und Wanderungen.
Und Bürger begann nun auch selbst, Sachbücher zu schreiben, und zwar bei dem angesehenen Stuttgarter Verlag Ulmer. Seine Orchideenbücher sind inzwischen bereits in dritter Auflage erschienen, zuletzt auch in französischer Übersetzung. Einzelne Kapitel fanden den Weg in populärwissenschaftliche Zeitschriften. Eine "Kleine Geschichte der Gartenkunst" erschien im Februar 2004 ebenfalls bei Ulmer. Es sollte Bürgers letztes Buch sein. Es zeigt den Autor als eine humanistisch, kunstgeschichtlich und historisch umfassend gebildete Persönlichkeit, die mit diesem Buch ein ebenso gut lesbares bedeutendes Werk wie ein letztes Vermächtnis hinterlassen hat.
"Sollte der Autor ein Fotograf sein, einer, der sich in vielen Ländern der Erde umgesehen hat und den die Anlage und Gestaltung von Gärten so fasziniert hat, dass er das Gesehene und Erlebte mit seiner Kamera zu glücklichen Erinnerungen archivierte, kann es auch dazu führen, seine Ausbeute zu einem kostbaren Bildband zusammenzufassen." (Köln, im April 2003)
Diesen liebenswürdigen, humorvollen, geistig wachen, vielseitig gebildeten und interessierten alten Herren hat mir Isolde Bürger so lebendig geschildert, dass ich das Gefühl habe, ihn selbst kennen gelernt zu haben. Er sei allen Müngersdorfern zur Lektüre empfohlen. Vielleicht steht in Ihrem Bücherschrank ein Bürger? Schauen Sie mal nach.


Alfons Bürger war 85 Jahre alt, als er am 8. September 2004 in Müngersdorf starb. Er wurde auf dem Melatenfriedhof beerdigt.

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