Neunzig Jahre Freiluga und alle sind dabei
Statt einer Chronik von 1925 bis 2015 gebe ich lieber Anekdoten, Erzählungen und Zitate wieder, die von zahlreichen Besuchern oder aus den Unterlagen des Freiluga-Archivs stammen.
Viele ehemalige Schüler bekommen leuchtende Augen, wenn sie mir bei Führungen von ihren Erinnerungen berichten. So hörte ich einmal von einer Seidenraupenzucht, die es dort zu bestaunen geben würde;
unvergesslich ist auch die Erinnerung eines bejahrten Besuchers an Ziegenmilch aus Bakelit-Bechern, die wohl schrecklich schmeckte, aber später bei der Schulspeisung noch mit Kakao und Zwiebäcken
„verfeinert“ wurde.
Noch heute kann man sich gut vorstellen, wie aus dem kleinen Fenster der Hausmeis-terwohnung das Frühstück gereicht wurde. Auch wurde von der Straßenbahn-Sonderfahrt vom Neumarkt bis nach
Müngersdorf erzählt. Dabei ging es bei Wind und Wetter, aber mit Gesang durch unseren Stadtteil. Später gab es für kurze Zeit kostenlose Schulbusfahrten hierher.
Früher führte der Hauptweg zu uns über das Gelände der jetzigen Förderschule bis zum Zwischenwerk Va, wo Schillers Verse „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben wächst aus den
Ruinen!“ zu lesen sind. Dort empfing Lehrer Burkhard im weißen Kittel die Schüler und verteilte sie: „Jung`s in den Garten zum Graben, die Mädchen in den Liegestuhl auf die Wiese...“ Im Winter saßen
letztere dann am warmen Bollerofen. Es ist unglaublich, aber wahr: Im Archiv gibt es eine Bestellung über 300 Liegestühle.
Der historische Theaterplatz wurde früher sehr genutzt. Dort gab es einen Platz mit Stühlen für ca. 300 Schüler, die von einer Zentralküche aus Ehrenfeld Mittagessen bekamen. Sie durften sich auf
keinen Fall langweilen. Denn wenn die Pänz Schaden angerichtet hätten, hätte der Schulleiter mit seinem Gehalt gehaftet. So steht es in den „Richtlinien“ von 1950. In ihnen wird auch das Betreten von
„Hängen und Hügeln“ untersagt.
Hier ist die Zeit irgendwie stehengeblieben. Trotzdem, Langeweile kennt keiner, und viele schätzen den Ort gerade deshalb. Fotos erinnern daran, was verschwunden ist. Wie an das legendäre Flugzeug am
Spielplatz – von allen heiß geliebt. Aber nicht nur am bunten Lack der 50er-Jahre nagte der Zahn der Zeit, und so wurde der gelandete Ikarus eines Tages durch eine Kletterspinne ersetzt. Aus war es
mit fantastischen Höhenflügen. Die farbige Erdkugel konnte ich retten! Sie steht im Garten, und Bohnen ranken an ihr himmelwärts.
Immer noch ist bei Schülern und Besuchern die gleiche Neugierde wie früher zu spüren. Inzwischen ist unsere denkmalgeschützte Freiluga Lernort und Lernobjekt zugleich. Wir fördern – wie immer schon –
forschendes Lernen zum Schutz von Natur und Umwelt durch Beobachten, Sammeln und Bestimmen.
Wie man in den Statuten von 1925 liest, haben sich die Lernziele verändert. Vor neunzig Jahren ging es darum, „die stetig wachsende körperliche Not unserer Großstadtjugend, der es in den engen
Gassen der Altstadt an Licht, Luft und Nahrung fehlt, zu steuern, diesen Kindern in der schönen Jahreszeit einigemale einen Tag der Freude in der Gottesnatur zu bieten“.
Wenn heute auch einiges anders aussieht, wird die Arbeit doch nicht weniger. Verantwortlich dafür fühlen sich zahlreiche engagierte Mitmenschen. Sie setzen sich ein für nachfolgende
Schülergenerationen, auf dass auch die 100-Jahr-Feier (und nicht nur die) wieder ein Tag der Freude werde!
Angelika Burauen ist ehemalige Lehrerin und Vorsitzende des Fördervereins Freiluga e.V.
www.freiluga-ev-koeln.de | www.freiluga-schulbio.de
Die Freiluga ist eine von 18 Stationen des Kulturpfad Müngersdorf.
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