Kunst und Kultur | Georg Kolbes Nymphe
Die Schöne in Haubrichs Garten
Irrwege der Skulptur „Nymphe“ von Georg Kolbe
Text: Kurt Schlechtriemen
Foto: Martin Ammermüller | Reinhard Schnez-Schwalb
Beitrag aus BlickPunkt 28
Was verbindet Müngersdorf mit Bad Godesberg? Spontan fällt einem wenig ein, beide haben ihren Reiz. Doch gibt es eine Gemeinsamkeit, eine Geschichte um eine schöne Nackte, die ein wenig hier,
hauptsächlich dort spielt und von der der Godesberger Heimatgeschichtler Martin Ammermüller ausführlich erzählt. Gemeint ist eine von Georg Kolbe (1877-1947) aus unpoliertem hartem Sandstein
geschaffene Figur mit dem Titel „Nymphe“. Die kniende unbekleidete Mädchengestalt ist 145 Zentimeter hoch, Kopf und Blick sind zur Seite geneigt, die Hände berühren die Schultern. Sie nämlich
hatte ihren Standort für eine Weile hier in unserer Nachbarschaft, genau im Park der Villa des Kunstfreundes Josef Haubrich am Kämpchensweg 1. Dort gesehen hat sie vermutlich niemand von
uns.
Das Werk entstand 1912 und wurde im gleichen Jahr dort, wo der Godesberger Bach in den Rhein fließt, aufgestellt. Kaum am prominenten Ort zugänglich, erregte es manch sittenstrenges Gemüt auf das
Hef-tigste. Von „unkünstlerischen Nebenabsichten“ war die Rede, den Stadtrat erreichte eine Liste mit fast anderthalbtausend Unterschriften, und ein angesehener Geistlicher sorgte sich ums Wohl der
Jugend. Schließlich trat noch die Polizei auf den Plan, waren unbekannte Eiferer der Figur, genauer deren Nacktheit, doch mit Farbe zu Leibe
gerückt.
Öffentlichkeit und Presse reagierten indes aufgeklärter als die Hüter von Sitte und Moral. Viele Neugierige pilgerten des Sonntags zur Nymphe, An-sichtskarten kamen in Umlauf, und die lokalen
Zeitungen bis hin zu den hauptstädtischen amüsierten sich über das Possenspiel am Rhein. Am Ende freilich und nach zwei Jahren des Streits stimmte der Godesberger Stadtrat endgültig für den Verbleib
des Kunstwerks an seinem Ort.
Kurz danach schon kehrte für lange Zeit Ruhe ein, denn zwei Weltkriege hielten die Menschen in Atem. 1948 aber sickerte durch, dass der Nymphe unten am Strom das Haupt fehle, mit der Folge, dass der
Torso auf städtisches Gelände verbracht wurde. Dort sah ihn der Stadtrat Hans Schultz, erwärmte sich für die Kopflose und erwarb sie nach einigem Gefeilsche für 300 Mark, um sie in seinem Garten
aufzustellen. Der Stadt wären die Kosten für eine Wiederherstellung zu hoch gewesen.
Und noch einmal ist Hans Schultz im Glück. Ein Junge offenbart, er wisse, wo sich der Kopf der Nymphe befinde, nämlich im Park einer nahen Villa, wo dieser tatsächlich auch gefunden wurde. Wieder
Jahre später aber, 1958, geriet ihr Besitzer in Geldnot. Er will die restaurierte Figur nun veräußern, und zwar zunächst an unser Wallraf-Richartz-Museum, dessen Schätzung bei 12000 Mark lag.
Köln ist gefragt
Jetzt also war Köln ins Spiel gekommen und bald auch Köln-Müngersdorf, denn Josef Haubrich, Jurist, Stadtverordneter, Kunstsammler und Sponsor
erfuhr von der Möglichkeit, die Skulptur für seinen Garten am Kämchensweg zu erwerben, mit der Folge, dass er seinerseits ein befristetes Angebot von 5000 Mark machte und damit das Museum nicht
willens war, seinen Gönner zu überbieten. Unser Gewährsmann konstatiert denn auch vollendete Tatsachen: „Am 9. Mai 1958 kam ein Tieflader des Kunsttransporteurs Hasenkamp, holte die Skulptur ab und
brachte sie nach Köln-Müngersdorf.“ Dort an der Riphahn-Villa gesellte sie sich zu etlichen anderen steinernen und bronzenen Kostbarkeiten.
In Bad Godesberg indes wurde das Kunstwerk alsbald vermisst; man suchte mehr oder weniger intensiv und fand es am Ende, wenn auch erst 1986 bei Lucy Millowitsch-Haubrich: Die Nymphe stand noch an
ihrem Platz im Garten, nur der Hausherr war schon vor 15 Jahren verstorben. Verhandlungen begannen, doch bis zum endgültigen Rückkauf, man hatte den Preis ein wenig auf 33000 Mark drücken können,
dauert es noch bis 1987.
Nach ihrer Restaurierung hat die Mädchengestalt endlich am 25. Oktober 1988 den ihr gebührenden Platz auf hohem Sockel im Freien vor der Bad Godesberger Redoute gefunden. „Aufgrund des veränderten
Standorts und neuer Sehgewohnheiten“, so urteilt Martin Ammermüller, „wirkt die freistehende Nymphe heute wohl allgemein so keusch und herb wie manche Kunstkenner schon bei ihrer Aufstellung fanden.“
Aus eigener Anschauung hinzuzufügen wären noch Natürlichkeit, Leichtigkeit und Bewegtheit der Figur, deren Erschaffer Kolbe einst eine Berühmtheit war. Zum Glück auch können wir Müngersdorfer nun
nachholen, was uns seinerzeit hier an Kunstgenuss entgangen ist.
Quelle
Martin Ammermüller:
Das bewegte Leben der Godesberger Nymphe
von Georg Kolbe,
in: Godesberger Heimatblätter,
Sonderdruck, Jahresheft 2014/52
des Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e. V.
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