Kunst und Kultur | Fernsehproduktion
Tatort Müngstersdorf
Stolberger Straße life
Text: Harald Schaefer
Fotos: Harald SchAefer | WDR/Willi Weber
Beitrag aus BlickPunkt 30
„Heute Vormittag habe ich auf der Stolberger Straße etwas Merkwürdiges beobachtet“, berichtet meine Frau beim Abendessen. „Da fuhr ich mit meinem Auto hinter einem Taxi her, aus dem sich plötzlich
– bei voller Fahrt – ein Mann halsbrecherisch aus dem Fenster lehnte und einem ganz in Weiß gekleideten Kind ein Blatt Papier aus der Hand riss. Wenige Meter später hat das Taxi dann gedreht. Was da
wohl los war? Vielleicht ein Familienstreit?“
Ein halbes Jahr später, es ist Sonntag-abend, irgendwann nach 20 Uhr: Der Fernsehliebling Johann Josef Liefers, in seiner Rolle als Tatort-Gerichtsmediziner Professor Boerne, hat in der Münsteraner
Pathologie wichtige Unterlagen vergessen. Die Papiere werden benötigt, um den Fall zu lösen. In aller Eile lässt er sich vom Vater des Polizeikommissars Thiel in dessen Taxi zum gerichtsmedizinischen
Institut fahren. Dort wartet am Straßenrand schon seine kleinwüchsige Assistentin Alberich, gespielt von Tine Urspruch. Professor Boerne lehnt sich aus dem Autofenster und übernimmt von seiner
Assistentin bei voller Fahrt die Beweise …
Meine Frau hatte also ein halbes Jahr zuvor die Absperrungen für die Dreh-
arbeiten des Münster-Tatorts übersehen und so vermutlich den Dreh einer Filmszene ruiniert.
An der Stolberger Straße 370 hat nämlich die Colonia Media Filmproduktionsfirma ihren Sitz. Seit vielen Jahren produziert das Unternehmen die beliebten TV-Reihen „Tatort Köln“ und „Tatort
Münster“, die bis zu 14,5 Millionen deutsche Fernsehzu-schauer in ihren Bann ziehen. Mittlerweile wurde die Kölner Firma von der Bavaria Fernsehproduktion übernommen.
Das ehemalige, rot geklinkerte Verwaltungsgebäude der Firma Philips fällt hinter einer Kiefer und einigen anderen Bäumen an der Stolberger Straße in Höhe Linnicher Straße gar nicht sonderlich ins
Auge. Es diente lange Zeit nicht nur als Firmensitz der Fernsehproduktionsfirma, sondern bis zum heutigen Tag auch als Requisitenlager und Kulisse. Regelmäßig stehen während der Dreharbeiten die
Wohnwagen der Fernsehstars auf den Parkplätzen der Stolberger Straße. „Thiel“ und „Boerne“ oder „Ballauf“ und „Schenk“ kann man dann – mit dickem Filzstift geschrieben – an den Türschildern lesen.
Große Scheinwerfer auf Hebebühnen erleuchten bei den Aufnahmen von außen die fiktiven Räume des Kölner oder Müns-teraner Polizeipräsidiums im ersten Stock. Wer beim Tatort aus Münster genau aufpasst,
wird im Fernsehen auch die geometrischen Fassadenelemente vor den Fens-tern der Amtsstuben der Kommissare entdecken. Bei dem einen oder anderen Müngersdorfer haben die Metallteile vor den Fenstern
bereits ein Kopfschütteln hervorgerufen: Von der Stolberger Straße betrachtet, ergeben sie nämlich überhaupt keinen Sinn. Im Kölner Tatort sieht man hingegen oft im Hintergrund das Parkhaus der
Fordbank an der Josef-Lammerting-Allee. Da entdeckt man im Fernsehen Kommissar Schenk am „Braunsdorf“ in Köln-Braunsfeld und das KVB-Gelände, da springt der mutmaßliche Täter aus dem fahrenden Auto
auf den Bürgersteig der Lammerting-allee, da sieht man die Gewerbe-Hinterhöfe an der Eupener Straße, da kommentiert Professor Boerne die grün gestrichenen Neubauten neben dem Bauhaus-Baumarkt in
Ehrenfeld mit den Worten: „Was für eine Horror-Straße!“ ... Münster ist halt auch in Köln, zumindest im Film.
Überhaupt ist die Chance, in Köln-Müngersdorf einem echten Tatort-Star zu begegnen, sehr groß. Neben Axel Prahl und Johann-Josef Liefers sowie Dietmar Bär und Klaus Behrendt, die man regelmäßig an
der Stolberger Straße treffen kann, wohnte bis vor einiger Zeit auch der Hamburger Tatort-Kommissar Falke (alias Wotan Wilke Möhring) am Kämpchensweg.
Lange wird dies aber nicht mehr so bleiben, denn die Planungen für den Abriss des Backsteingebäudes an der Stolberger Straße 370 sind bereits in vollem Gange. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hauptsache, sonntagabends läuft weiterhin der Tatort, wenn auch bald nicht mehr aus Müngstersdorf.
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