Ortsgeschichte | Gutshöfe
Gutshöfe in Müngersdorf
1 | Kirchenhof
Wendelinstraße 48
Der Hof ist eine geschlossene, sogenannte fränkische Hofanlage mit sattelgedeckter Scheune, Wirtschaftsgebäuden und einem zweigeschossigen, sechsachsigen Herrenhaus mit Schopfwalmdach, das 1774
inschriftlich erbaut wurde. Die Fassaden aus Feldbrandsteinen sind weißgeschlämmt und weisen durch eiserne Maueranker auf die zum großen Teil erhaltene oder stilgerecht erneuerte
Eichenbalkenkonstruktion hin. Dem durch Fensterbankgesimse und ein Traufgesims gegliederten Herrenhaus angelehnt ist ein eingeschossiger Anbau mit Pfeileraufbau als Terrassenbegrenzung, der das Haus
mit der Scheune verbindet. Das sparsame Gliederungsprinzip des Hauses macht die grün gestrichenen zweischlägigen Klappläden sowie die kleinteilige Sprossengliederung der Fenster zu einem ästhetisch
und architektonisch wichtigen Kompositionselement. Die Fenster des Erdgeschosses sind rundum mit Eisenstäben gesichert. An der Giebelseite ist ein Fensterladen mit Lüftungslöchern erhalten. Die dem
Innenhof abgewandte Fassadenseite besitzt eine Eingangstür aus der Neorenaissance mit schmiedeeisernem Sichtfenstergitter und vorgelagerten Steinstufen. Drei kleine, versetzt angebrachte
spitzgieblige Dachgauben markieren die Dachzone. Eine Gartenanlage mit historischem Steinbelag in Nähe des Hauses ist von einer Backsteinmauer sowie einem schmiedeeisernen Dreizackgeländer
eingefriedet. Den Eingang zu dem bis auf wenige Teile unbepflasterten, naturbelassenen Innen-hof markiert eine in einer rechteckigen, mit Dachpfannen gedeckten Mauer ausgesparte korbbögige
Tordurchfahrt, deren Form sich in den beiden großen Toröff-nungen der Scheune sowie in kleineren Eingängen der anderen Gebäude wiederholt.
Rechts an das Eingangstor zum Hof grenzt eine Mauer an den sattelgedeckten, zur Straße hin giebelständigen Seitentrakt, dessen Innenfassade mit der Hofbegrenzung abschließt. Insgesamt verdeutlichen
die Fassaden als konstruktive Teile des Hauskerns Proportion, Geschossgliederung und Höhe der Gebäude.
Objektbeschreibung: Stadtkonservator
Die an das Kirchengrundstück angrenzenden Stallungen wurden zu einem Restaurant umgebaut, der Remise.
Im Inneren der Gebäude, insbesondere des Herrenhauses bezeugen noch einige erhaltene Ausstattungsteile die lange Geschichte des Hofes. Von der alten Ausstattung des Kirchenhofes sind in der Diele
des Herrenhauses noch erhalten: Steinfußboden, Treppe mit Geländer, Küchenfließen, Zimmertüren und Kölner Decken. An Einrichtungsgegenständen sind vorhanden eine große Standuhr und zwei Truhen. Die
beiden Takenplatten mögen, weil datiert von 1667, von besonderem Wert sein. Wie häufig auf derartigen, aus Eisen gefertigten Platten zeigen sie Szenen des Alten oder Neuen Testaments. Hier ist einmal
die Gottesmutter mit dem Kind dargestellt, zum anderen die Geschichte vom verlorenen Sohn. Den Zeitgenossen galten sie wie eine „Bibel auf der Takenplatte".
Die „Hofanlage Kirchenhof" wurde 1988 in das Denkmälerverzeichnis der Stadt Köln eingetragen.
Der Kirchenhof ist eine von 18 Stationen des Kulturpfad Müngersdorf.
Geschichte des Kirchenhofes und der Familie Päffgen
Der „Kirchenhoff zu Mundestorp", wie er früher genannt wurde, zählt zu den ältesten erhaltenen Höfen des Kölner Raumes. Aus den Urkunden geht hervor, dass der Hof zunächst den Stiftsherren von St.
Aposteln gehörte, im Jahre 1261 aber in den Besitz der Zisterzienser Abtei Altenberg überging.
Am 12. März 1331 entschied die Kölner Kurie, „dem Kölner Bürger Richwinis, genannt curiculus gladiatorum, sowie dem minderjährigen Sohn seines Bruders Johannes, gleichfalls mit dem Namen Johannes,
wird unter Zustimmung seines Mombars (Vormunds) von Ludevicus Bunhögge die Hofstätte zu ihrer Betreuung übertragen". Als Pacht hatte Richwinis dem Abt zu Altenberg jährlich zu Remigii die Hälfte des
Erbzinses von dreißig Kölner Dinaren und zwei Hühnern zu zahlen.
In den folgenden Jahrhunderten wechselten mehrere Pächterfamilien auf dem Hof. Als Vorfahre der jetzigen Besitzerin des Kirchenhofes wird erstmalig im Jahre 1600 Peitter Peffgen, „Offermann zu
Mundestorp", urkundlich erwähnt. Am 24.10.1722 wurde der Hof an Heinrich Richartz und Helena von Gymnich verpachtet. Am 30.11.1738 heirateten Theodorus Paeffgen, geb. 1702 (Sohn des Johannes
Paeffgen, geboren 1654, „Morstorffer Halfen" vom Morstorffer Hof in Müngersdorf) und Helena von Gymnich. Theodorus Paeffgen ist Urenkel des bereits
erwähnten Peitter Peffgen, welcher von 1600-1669 in Müngersdorf lebte. Durch Pachtvertrag zwischen dem Abt Averradt zu Derich wurde dieser Schöffe und Halfe am Kirchenhof zu Müngersdorf.
Eine angefertigte „Buch-Carte" des „Kirchen-Hoffs zu Mundestorp" gibt eine genaue Darstellung der zum Kirchenhof gehörigen Ländereien, die mit „181 Morgen 3/4 und 11 Routen" angegeben wurden. Sie
lagen am "Creutz Feldt, langs die Aacherstraß, am Stütgerbätgen, am Brauweiler Weng, am Lindges Weng, an der Fuchskaulen langs Kleins Hoff, am Eselspatt, am Loevenicher Feldt, auf dem
Heydenberg langs Pitters Hoff, langs dem Maarweg und langs dem Camp, an der Casterstraß". Alteingesssenen Müngersdorfern werden manche Namen vertraut klingen.
Das Ehepaar Theodor und Helena Paeffgen, geb. von Gymnich, hatte zwei Söhne, Heinrich und Friedrich. Friedrich (1748-1811) bewirtschaftete den Statthalter Hof in Junkersdorf und den Morstorffer Hof
in Müngersdorf. Heinrich bewirtschaftete den Kirchenhof. 1797 heiratete Heinrich Paeffgen Anna Gertrud Jussenhoven in Müngersdorf. Im Jahre 1803 konnte Heinrich Paeffgen bei der Verstaatlichung
geistlichen Besitzes den Pachtvertrag mit der Abtei Altenberg lösen und Eigentümer des Kirchenhofes werden.
1813 beherbergte der Kirchenhof seinen wohl prominentesten Gast, Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, dem seine Besitzer durch die inzwischen verordnete Säkularisierung den Status der Eigentümer
zu verdanken hatten. Napoleon war auf der Flucht vor den Russen nach der verlorenen Schlacht zu Leipzig auf dem Wege nach Paris. Er wurde auf dem Kirchenhof, so lautet die Überlieferung, von der
Familie herzlich empfangen und umsorgt. Noch heute erinnert seine Schlafstätte, ein großes Empire-Bett, im Wohnhaus des Kirchenhofes an seinen Besuch. Weniger freundlich sind später die
Verfolger Napoleons im Kirchenhof begrüßt worden. Als sie frech und zudringlich wurden, riss die resolute Hausherrin die glühend heiße Pfanne vom Herd und schlug sie den Soldaten um die Ohren.
Das Ehepaar Heinrich und Anna Gertrud Paeffgen, geb. Jussenhoven, hatte fünf Kinder, von denen vier auf dem Müngersdorfer Friedhof beerdigt wurden und als „Geschwister Paeffgen" das Hauptkreuz auf dem Friedhof im Jahre 1873 errichtet haben.
Der Sohn Gottfried, welcher am 8.6.1809 als drittes Kind in Müngersdorf geboren wurde, vermählte sich am 22.11.1836 mit Maria Katharina Zillikens und wurde mit Maria Gertrud Zillikens, geb. Strerath, Eigentümer des Ritterguts Asperschlag bei Bergheim/Erft. Maria Katharina, geboren am 6.5.1817, kam von der Burg Holtropp, Bergheim/Erft, nahe Niederaußem, welche ihr Vater Konrad Zillikens von Eduard Freiherr von Monschau erworben hatte.
Gottfried und Maria Katharina Paeffgen bewirtschafteten zunächst den Kirchenhof in Müngersdorf und erwarben später, 1847, im Wege der Erbteilung die Burg Holltropp dazu. Sie hatten fünf Kinder, einen Jungen und vier Mädchen. Der Sohn Johann Paeffgen, geb. 1838 in Müngersdorf, übernahm die Verwaltung von Burg Holltropp.
Die jüngste Tochter Maria Gertrud Paeffgen, geb. 29.12.1860 auf Burg Holltrop, lebte von ihrem 15. Lebensjahr an auf dem Kirchenhof in Müngersdorf bei ihrem Onkel Ludwig (gest. 1879) und den Tanten Anna Gertrud (gest. 1879) und Katharina (gest.1886). Sie übernahm in jungen Jahren die Verwaltung des Kirchenhofes und heiratete am 19.2.1887 Lambert Keller, geb. 19.9.1845 auf Burg Neumerbern bei Merkstein (Kreis Aachen). Lambert Keller war seinerzeit Eleve auf dem Morsdorfer Hof und lernte auf diesem Wege die „Nachbarin Maria Gertrud Paeffgen" kennen.
Lambert Keller ist am 18.1.1925 und seine Frau Maria Gertrud am 23.8.1942 gestorben. Aus dieser Ehe stammen zwei Kinder: - Tochter Sibilla Keller, geb. 7.4.1888 in Müngersdorf, verheiratet am 26.1.1908 mit Maria Jakob Josef Barz, Sohn der Eheleute Jakob Barz aus Cochem an der Mosel. - Sohn August Keller, geb. 7. Juni 1890, gefallen 1915 in den Vogesen.
In dieser Zeit wechselte ein großer Teil der Ländereien den Besitzer. So wurde auf dem Grundstück des ehemals zum Kirchenhof gehörenden Schafstalles die Volksschule Wendelinstraße im Jahre 1905 errichtet. Einige Teile der Ländereien dienten später Siedlungszwecken und wurden zur Anlage des Müngersdorfer Stadions und des
Grüngürtels beansprucht.
Sibilla und Josef Barz hatten vier Kinder, Maria, Lambert, Karl-August und Inge. Maria oder auch „Mia" Barz heiratete 1946 Martin Jakob Schwingeler, Sohn der Eheleute Martin Schwingeler und Klara
geb. Pingen aus Bonn.
Während des zweiten Weltkrieges blieb der Kirchenhof vor größerem Unheil bewahrt. Lediglich die Scheune wurde durch eine Brandbombe zerstört. Während des letzten Kriegsjahres stand der Hof unbewohnt
und blieb in dieser Zeit von Plündereien nicht verschont. Weiterhin wurde das Haus von zehn amerikanischen Soldaten heimgesucht, die mit dem Inventar nicht gerade pfleglich umgingen.
Nach dem Tode von Sibilla Barz übernahm zunächst Mia Schwingeler mit ihrem Mann und ihrer Tochter Barbara die Aufgabe, die übriggebliebene Hofstätte zu verwahren. Im Wege der Erbauseinandersetzung des Nachlasses „Sibilla Barz" konnte die Enkelin Barbara den Kirchenhof erwerben. Mit großen Mühen und Engagement sowie finanziellem Einsatz wurde der Hof nach und nach restauriert und behutsam wieder instandgesetzt.
Gutshöfe in Müngersdorf | Einführung
Die noch vorhandenen Höfe sind:
1 | Kirchenhof | Wendelinstraße 48
2 | Hermannshof oder Hartzheimshof | Wendelinstraße 87
3 | Marienhof oder Alter Petershof | Wendelinstraße 67
4 | Petershof | Belevederestraße 17
5 | Clarenhof oder Kleinshof | Wendelinstraße 61
Nicht mehr vorhandene Hofanlagen:
6 | Le-Maire-Hof oder Dohmshof
7 | Herrigerhof oder Türkshof | Belvederestraße 32/Ecke Herrigergasse
8 | Gut Belvedere | Belvederestraße 149
9 | Morsdorfer Hof
10 | Schafshof | Wendelinstraße 64
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