Ortsgeschichte | Gedenkort Deportationslager | 1

Wider das Vergessen

Gedenkort Deportationslager
Köln-Müngersdorf 1941–1945

 

 

Bilder: Simon Ungers Nachlass / Bernd Grimm und Sven Röttger

Beitrag aus BlickPunkt 30

Vom Kunstwerk von Simon Ungers auf dem Gelände des früheren Fort V führt der künftige „Weg des Gedenkens“ zum ehemaligen Barackenlager.

Geschichte des Deportationslagers im Äußeren Grüngürtel

Gedenkstein von 1981 für die ermordeten Kölner Juden am Walter-Binder-Weg

Auf der Ostseite des Walter-Binder-Wegs liegt seit 1981 ein großer Findling. Er trägt eine Metallplatte mit einer Inschrift, in der die Stadt Köln der Juden gedenkt, die von hier aus in Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden.
Auf diesem Gelände befand sich das Fort V, eine preußische Festungsanlage aus den 1870er-Jahren, die bis 1918 als Militärge-fängnis diente, danach meist leerstand und seitdem verfiel. 1941 beschlossen Geheime Staatspolizei und städtische Behörden, in dem Fort ein Lager einzurichten, in welchem die jüdische Bevölkerung Kölns und des Umlands inhaftiert und damit außerhalb des engeren Kölner Stadtgebietes ghettoi-siert werden sollte. Dies war der letzte Schritt auf dem Weg in den Völkermord.

Das Gelände kurz nach Abriss des Barackenlagers, heute Standort der Schrebergärten

Zusätzlich zu den Räumlichkeiten in der vorhandenen Festungsanlage ließen die Kölner Behörden nordwestlich in etwa 200 Metern Entfernung eine Barackenanlage bauen. Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, die Kosten für deren Errichtung in Höhe von 800.000 Reichsmark zu übernehmen. Planung und Bau des Lagers nahm die Stadt Köln vor. Seit Ende 1941 wurden dann jüdische Frauen, Männer und Kinder in das Lager eingewiesen, wo sie Tage, Wochen oder Monate inhaftiert waren, bis sie in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden. Die Baracken wurden nach 1945 abgerissen, das Fort 1962.
Als die NS-Behörden im Spätsommer 1941 dieses weitläufige Gelände um das Fort V für ihre menschenverachtenden Pläne auswählten, lebten noch rund
5.500 Juden auf Kölner Stadtgebiet. Etwa 3.000 von ihnen wurden von Oktober bis Anfang Dezember 1941 in die Ghettos Litzmannstadt und Riga deportiert. Die übrigen sollten in den erhaltenen Gebäudeteilen der einstmals riesigen Festung sowie im neu errichteten Barackenlager interniert werden. Da die modrigen, feuchten Kasematten früher schon als Militärgefängnis gedient hatten, waren Fenster und Ausgänge entsprechend vergittert und gesichert.
Die Inhaftierten standen unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo. Eine Flucht war so gut wie unmöglich. Viele Menschen starben noch im Lager an Krankheiten und Entkräftung, nicht wenige wählten ange-sichts ihrer ausweglosen Situation den Freitod. Im Juni 1942 begannen die Deportationen direkt aus Müngersdorf. Sie führten in das Ghetto Theresienstadt sowie in die NS-Vernichtungslager, vor allem nach Trostenez bei Minsk, Belzec, Sobibor, Treblinka und, über Berlin, nach Auschwitz-Birkenau. Bis zum Sommer 1943 waren alle Juden des Lagers deportiert.

Rechter Flügel von Fort V des Befestigungsgürtels in Köln-Müngersdorf


Von da ab dienten vor allem die Baracken als Zwangsarbeiterlager. Gegen Ende des Krieges, im Herbst 1944, inhaftierte die Gestapo dort aber auch Menschen, die nach den rassistischen Kategorien des NS-Regimes ebenfalls als „jüdisch“ stigmati-siert, bis dahin aber noch von Deportationen verschont geblieben waren. Dabei handelte es sich um Menschen, die in sogenannten „Mischehen“ lebten, also Ehen, in denen ein Partner jüdisch oder jüdischer Herkunft war, außerdem diejenigen, die als „Mischlinge“ galten. Auch sie wurden von Müngersdorf aus verschleppt.
Im Oktober 1944 verlegte die Kölner Gestapo eine bis dahin auf dem Messegelände betriebene, aber durch Bombenangriffe zerstörte Haftstätte in das Lager Müngersdorf. Unter den Gefangenen befanden sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität, darunter auch als „jüdische Mischlinge“ internierte Gefangene. Am 1. März 1945 schließlich trieb die Gestapo die letzten noch in Müngersdorf verbliebenen Gefangenen auf einen Evakuierungsmarsch ins Bergische Land.


Dem Vergessen entgegenwirken
In Kenntnis dieser erschütternden Ereignisse ist der Bürgerverein seit Langem zu der Überzeugung gelangt, dass der große, aber dennoch unscheinbare Findling am Walter-Binder-Weg seiner Bestimmung als Mahnmal und Gedenkort nur unzureichend gerecht wird. Der Stein, zumeist von wucherndem Unkraut verdeckt, wird von Vorbeigehenden trotz seiner Größe kaum wahrgenommen. Hinzu kommt, dass die Tafel mit der Inschrift über die Jahre hin sehr gelitten hat. Unsere Bemühungen, die Stätte der Trauer und des Gedenkens einigermaßen zu pflegen und ansehnlich zu erhalten, scheiterten insbesondere daran, dass, da kein Wasser in der Nähe ist, jegliche Bepflanzung schnell verdorrte. Folglich haben wir schon vor Jahren beschlossen, uns für ein neues, den Geschehnissen angemesseneres Mahnmal einzusetzen.

 

Kunstwerk von Simon Ungers

Durch glückliche Umstände wurde der Bürgerverein auf den Architekten und Künstler Simon Ungers aufmerksam, dessen Nachlass Sophia Ungers, Direktorin des Ungers Archiv für Architekturwissenschaft, verwaltet. Darin fand sich der Entwurf für eine große Skulptur, die in ihrer Symbolik und ihrer künstlerischen Entstehungsgeschichte genau zu diesem Vorhaben passte. Sophia Ungers war sofort bereit, uns den Entwurf ihres Bruders für unser Anliegen zur Verfügung zu stellen. Das ausgewählte Kunstwerk setzt sich mit seiner starken Ausstrahlung eindringlich mit diesem Ort auseinander und gibt den Menschen, die hier gelitten haben, ein würdevolles Denkmal. Damit kann ein deutliches Zeichen wider das Vergessen gesetzt und die Erinnerung an das Leid Tausender wachgehalten werden.
Denn heute, nach mehr als siebzig Jahren, könnte sich die Erinnerung an jene Ereignisse verflüchtigen. Wir Nachgeborenen dürfen uns nicht unbefangen dem Gefühl hingeben, als ginge uns das alles nichts an. Gewiss, wir sind nicht persönlich verstrickt in die Grausamkeiten, die begangen wurden. Wenn wir uns aber einerseits zu unserer Heimat bekennen und stolz auf ihre Besonderheiten sind, kommen wir nicht umhin, gleichfalls zu dem
zu stehen, was Menschen vor uns anderen Menschen angetan haben. Diese Verantwortung haben wir zu tragen.

 

Wider das Vergessen

Skulptur von Simon Ungers >mehr

Präsentation

WIDER DAS VERGESSEN
GEDENKORT DEPORTATIONSLAGER
KÖLN-MÜNGERSDORF 1941-1945

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Ein weiterer Beitrag aus BlickPunkt 24

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Schicksale jüdischer Menschen in Köln-Müngersdorf >mehr

Kurt Schlechtriemen
Opfer des Nationalsozialismus in Köln-Müngersdorf

Betroffene und Zeitzeugen kommen zu Wort

Historische Fotografien aus Privatbesitz und NS-Dokumentationszentrum Köln

Aktuelle Fotos: Ute Prang

Gestaltung: Monika Frei-Herrmann

2017 | 96 Seiten | Format 14,7 x 21 cm
Gebunden, Pappband mit ausklappbaren Karten
Herausgeber: Bürgerverein Köln-Müngersdorf e.V.

ISBN 978-3-00-057778-9    >mehr

Bürgerverein Köln-Müngersdorf e.V.
Kirchenhof 4
50933 Köln

www.bvm.koeln

info@bvm.koeln

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